AI-First: 5 Lektionen aus der AI-Transformation

Welche fünf Erkenntnisse Du unbedingt beachten solltest

8.12.2024
in
Adoption
von
Felix Schlenther
Felix ist der CEO und Gründer der Unternehmensberatung von AI FIRST. Jede Woche erkundet er die Grenzen der AI in praxisnahen Beiträgen und in seinem Podcast AI First.
AI-First: 5 Lektionen aus der AI-Transformation

Ich möchte mit einem kurzen Gedankenexperiment beginnen.


Stell Dir vor, dein Unternehmen verliert 80% der Mitarbeiter.


Was würdest du tun, um weiter zu wachsen?


Das war meine Situation Anfang 2023, als ich als CEO ein Unternehmen übernahm, das Insolvenz angemeldet hatte.


Im Rahmen der Insolvenz hat sich das Team radikal verkleinert: von 100 auf 18 Mitarbeiter. Nur so konnten wir nachhaltig profitabel werden.


9 Monate später hatten wir 90%+ vom Umsatz gehalten und die ersten neuen Kunden gewonnen. Mit 80% kleinerem Team.


Der Schlüssel: ein AI-First Mindset.


Seitdem durfte ich viele Mittelständler beim Einsatz von (Gen)AI begleiten und teile heute 5 Lektionen aus den letzten Jahren.


Let's go.

­

Lektion 1: AI verändert das GESAMTE Unternehmen

Generative KI und Sprachmodelle haben Künstlicher Intelligenz eine nie dagewesene Dynamik und Geschwindigkeit beschert.


Anfangs dachte ich, dass Generative KI insbesondere im Marketing und als Produkt-Feature eingesetzt wird. In den letzten 24 Monaten ist mir immer bewusster geworden, dass jeder Bereich verändert wird.


Ich habe die Veränderung des Unternehmens auf 3 Ebenen erfahren:


Produkt

Wir hatten bei zenloop ein Produkt entwickelt, das Millionen Kundenfeedbacks analysiert und Maßnahmen zur Verbesserung der Kundenbindung generiert. Die Auswertung basierte auf Machine Learning und Natural Language Processing - also hatten wir schon AI integriert.

Mit Large Language Models konnten wir auf einmal unseren Datenschatz viel stärker heben, tiefere Insights generieren und individuelle Reports aufbereiten. Mit jeder neuen Modell-Generation wuchs die Qualität vom Output.

Außerdem waren neue Features viel leichter umsetzbar: zum Beispiel dynamische, personalisierte Fragen, die basierend auf der Freitext-Antwort in einer Umfrage ausgespielt werden.


Prozesse

Mit dem AI-First Ansatz haben wir jeden Prozess und jede Aufgabe aus AI-Perspektive hinterfragt und geprüft, was wirklich noch von einem Menschen getan werden muss und was die Maschine übernehmen kann.


Mit folgenden Prozessen sind wir gestartet:

  • Support: alle Anfragen klassifizieren und Standardfragen beantworten
  • Marketing: Content-Erstellung & Recycling für Social Media und Website
  • Sales: Lead-Recherche, Qualifizierung, Meeting Vor- und Nachbereitung
  • Finance: Monats- und Quartalsberichte vorkommentieren
  • Produkt: User Interviews auswerten und User Stories schreiben
  • Engineering: Code vervollständigen, debuggen, Tests schreiben


Dadurch wurde Zeit freigesetzt, die auf wertschöpfende Tätigkeiten (Zeit mit Kunden, Produktentwicklung, Weiterbildung) verwendet werden konnte.


Team

Wir haben für jeden Bereich ein Team aus AI Assistenten integriert, die man als digitale Kollegen betrachten kann:

  • Meeting Assistent: Hilft bei der Meeting-Vorbereitung, transkribiert das Meeting, fasst es zusammen, schickt das Follow Up
  • Brainstorming Partner: Hilft bei der Ideenfindung und -qualifizierung
  • Legal Assistent: Hilft bei der Vorprüfung von Verträgen und Angeboten


Durch den Einsatz von gut trainierten AI Assistenten konnten Rollenprofile breiter werden.


Wofür vorher 3 Spezialisten notwendig waren, konnte 1 Generalist + 2 AI Assistenten ähnlich gute Ergebnisse liefern (gilt natürlich nicht für alle Funktionen).


­

Lektion 2: AI ist Teamwork. Nicht IT-Work

Künstliche Intelligenz ist längst kein rein technisches Thema mehr.


Während “traditionelle AI” (aka Machine Learning) stark von IT, Engineering und Data-Teams getrieben wurde, erfordert Generative AI eine Veränderung der Arbeitsweise im gesamten Unternehmen.


Warum ist das so?


Durch die Fähigkeit, neue Inhalte auf Basis natürlicher Sprache zu erstellen, hat GenAI ein extrem breites Anwendungsspektrum, insbesondere in "PC-Berufen".


Dieses Spektrum hat sich in den letzten 2 Jahren vergrößert durch multimodale Modelle, die jegliche Form von Input verarbeiten und Output erzeugen können.



Vom Schreiben einer E-Mail bis zum Coding einer App oder der Analyse eines Finanzberichts - es ist alles möglich.


Wer diese Fähigkeiten in die eigene Arbeit und das Unternehmen integriert, hat selbstverständlich Produktivitätsvorteile.


Was bedarf es dafür?

  • Prozesse müssen neu gedacht werden
  • Rollen müssen neu gedacht werden
  • Routinen müssen umgestellt werden
  • Kommunikation verändert sich


Das betrifft und verändert alle Bereiche und alle Hierarchieebenen. Die IT kann das nicht alleine stemmen - das ist eine Teamaufgabe.


Um diese Veränderung zu managen und die Potenziale zu integrieren, setze ich heute auf einen organisatorischen 3-Klang:

  • AI Lead
  • AI Kommittee
  • AI Ambassadors


­

Lektion 3: Nicht alle werden glücklich sein

2023 gab es rund um AI viel FOMO - fear of missing out.

2024 hat sich FOMO in FOBO verwandelt – Fear of becoming obsolete.


Besonders in wissensbasierten Berufen wird schnell klar, dass KI mit der Zeit viele Aufgaben ersetzen wird. Der schnelle Fortschritt der Modelle und Tools verstärkt diesen Effekt noch.


Das kann existenzielle Ängste auslösen.


Eine wichtige Lektion für mich war, dass Antworten auf diese Ängste gefunden werden müssen, um Widerstände aufzulösen und eine Chance zu haben, die Vorteile Künstlicher Intelligenz hebeln zu können - denn ohne die Menschen wird's vorerst nicht funktionieren.


Was sind die wichtigsten Fragen?

  • Was bedeutet Künstliche Intelligenz für uns?
  • Wo sehen wir die Potenziale und Risiken?
  • Wie wollen wir diese realisieren?
  • Was heißt das für Dich?


Eine klare Kommunikation mit Zielbild und Fahrplan ist DER Grundstein, um Widerstände zu überwinden und das Team für die Technologie zu gewinnen.



Lektion 4: Unterstützung > Automatisierung

2022 ging ich davon aus, dass wir viele Aufgaben durch den Einsatz von GenAI automatisieren könnten. Die generativen Fähigkeiten konnten hervorragend in bestehende Prozesse eingesetzt und menschliche Tätigkeiten ablösen - so die Annahme.


Deshalb sind wir neue Use Cases mit dem Ziel angegangen, den Prozess Ende-zu-Ende zu automatisieren. Im Nachhinein war das natürlich Blödsinn.


Die Output-Ergebnisse waren immer wieder die gleichen:

  • Wir kommen schnell auf ein 80% Qualitätslevel
  • Mit viel Aufwand kommen wir auch auf 90%
  • Nur bei sehr einfachen, repetitiven Aufgaben haben wir zuverlässig 99,x% Output-Qualität erreicht


Ergo: wir brauchten menschliche Qualitätskontrolle (“Human in the Loop”)


Das liegt daran, dass GenAI nicht deterministisch ist, sondern die Wahrscheinlichkeit für einen Output berechnet. Und dieser Output kann auch mal falsch sein.


Also veränderten wir unseren Ansatz dahingehend, neue Use Cases mit AI Assistenten zu testen, die von Mitarbeitern gesteuert wurden.


Waren die Ergebnisse zuverlässig gut, haben wir den Assistenten in den Prozess integriert.


­

Lektion 5: AI kommt da hin, wo wir arbeiten

Auch auf technischer Ebene habe ich einige Fehler gemacht: insbesondere bei der Eigenentwicklung von Lösungen.


Eigenentwicklung hat Sinn gemacht in unserem eigenen Produkt, war aber verschwendete Energie in vielen anderen Prozessen.


In den letzten 12 Monaten sind GenAI-Features in viele Software-Produkte integriert worden:



  • Im Newsletter-Tool kann ich den Betreff generieren
  • Im Support-Tool kann ich Antwortvorlagen schreiben
  • Im Meeting-Tool kann ich eine Zusammenfassung erstellen


Damit wurden viele unserer selbstgebauten Lösungen und Workflows überflüssig. Die Anbindung der Daten und Integration in die Benutzeroberfläche bei bestehenden Tools war meist besser. Anstatt alles selbst zu entwickeln, fragten wir unsere bestehenden Anbieter nach der AI Roadmap, hebelten die bereitgestellten Funktionen bestmöglich und ergänzten No-Code Workflows für spezielle Prozesse. So konnten wir Ressourcen sparen und effizient arbeiten.­

🏁 Fazit

Künstliche Intelligenz wird die Art und Weise wie Services erbracht werden und wie Unternehmen funktionieren vollständig verändern.


Vor 2 Jahren standen wir technisch und vom Wissensstand noch ganz wo anders und ich finde es immer wieder verrückt, was in so kurzer Zeit alles passiert ist. Insbesondere Generative Künstliche Intelligenz steht noch am Anfang und hat extrem viel Potenzial.


Blicken wir in die Zukunft, dann werden wir an dieser Technologie nicht mehr vorbeikommen, wenn wir in der Wirtschaftswelt relevant bleiben wollen.


Ich hoffe, dass ich Dir mit meinen 5 Lektionen helfen konnte, nicht die gleichen Fehler zu machen:


  1. GenAI verändert das GESAMTE Unternehmen.
  2. AI ist Teamwork. Nicht IT-Work.
  3. Nicht alle werden glücklich sein.
  4. Unterstützung > Automatisierung.
  5. AI kommt da hin, wo wir arbeiten.

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