Herzlich Willkommen zu den AI FIRST Insights!
In Teil 1 und 2 unserer GenAI Use Case Trilogie haben wir die GenAI-Potenziale in unseren Prozessen identifiziert und diese Chancen kategorisiert und priorisiert.
Im heutigen 3. Teil geht es um die Umsetzung.
Wir wollen weder in der Produktivitätsfalle landen, noch uns in Moonshot-Projekten verlieren, die nie das Licht der Welt erblicken.
Wir wollen beides: Quick Wins schnell und risikoarm realisieren - möglichst dezentral in den Teams. Und gleichzeitig die Value Cases mit echtem Business-Hebel strategisch angehen.
In diesem Teil zeige ich dir den Umsetzungsansatz für beide Kategorien.
Los geht's!
Deine Checkliste, bevor du in die Umsetzung startest
Wir haben unsere Chancen identifiziert, sie nach Aufwand/Nutzen kategorisiert in Quick Wins und Value Cases, über die Scorecard bewertet und priorisiert. Wir beginnen mit den Use Cases, welche das beste Aufwand/Nutzen-Verhältnis haben. Soweit, so klar.
Bevor du überhaupt an Umsetzung denkst, musst dafür bei diesen 3 Punkten unbedingt einen Haken machen können:
✅ Relevantes Problem: Ein klarer Business-Need mit sichtbarem Wertbeitrag durch den Einsatz von KI.
✅ KI ist die passende Lösung: Das Problem lässt sich mit typischen KI-Fähigkeiten besser lösen als mit anderen Methoden.
✅ Verfügbare Daten: Die nötigen Daten sind vorhanden, zugänglich und dürfen genutzt werden.
KI ist wahrscheinlich nicht die beste Lösung, wenn:
❌ Einfache Regeln oder Standardsoftware ausreichen (wenn/dann Automation).
❌ Menschliche Intuition und/oder Empathie kritisch entscheidend ist.
❌ Keine gepflegten Daten vorhanden oder zugänglich sind.
❌ Das Problem nicht ausreichend definiert ist.
❌ Der Aufwand den Nutzen übersteigt.
Viele KI Use Cases klingen faszinierend und wertstiftend, sind aber in Wahrheit einfacher lösbar oder viel zu komplex für den Wert, den sie stiften. Mit dieser Checkliste filterst du sie heraus.
Quick Wins umsetzen: Dezentral und mit vorhandenen Tools
Quick Wins sind der Schlüssel für den erfolgreichen KI-Einstieg. Sie schaffen Vertrauen, helfen beim Sammeln von Erfahrungen und liefern schnelle Erfolge - ohne großes Risiko oder Budget.
Quick Wins sollten direkt in den Teams umgesetzt werden, nicht als zentrale IT-Projekte.
Warum?
Weil die Teams ihre Prozesse am besten kennen.
Nachdem du das zu lösende Problem, das erwartete Ergebnis, die erforderlichen Dateninputs sowie Aufgabenschritte der KI definiert hast, stellt sich die Frage nach Realisierung des Use Cases.
Ich prüfe immer 3 Ansätze, mit denen ich die allermeisten Quick Wins umgesetzt bekomme:
- Welche KI-Funktionen bringen bestehende Tools bereits mit?
- Was gibt es für Standardtools, die das Problem lösen?
- Was können wir auf einer KI-Plattform aufbauen?
Ansatz 1: Integrierte KI-Funktionen nutzen
Nutze die KI-Features, die bereits in deiner Standard-Software stecken. Die meisten Unternehmen haben schon bezahlte KI-Funktionen, die sie nicht nutzen. Sie suchen ständig nach neuen Tools oder investieren in selbstgebaute Workflows, obwohl die Funktion bereits vorhanden ist.
Unser Beispiel: In Intercom haben wir die integrierte KI-Funktion aktiviert, um wiederkehrende Kundenanfragen automatisch zu klassifizieren und zu beantworten. Binnen zwei Wochen hatte der Bot 40% unserer Standard-Anfragen übernommen.
Weitere Beispiele:
- Microsoft 365 Copilot: Meeting-Zusammenfassungen, E-Mail-Entwürfe
- Zendesk AI Agents: Tickets klassifizieren, Antworten erstellen
- SAP Joule: Analyse von Geschäftsdaten, Dokumentation

Ansatz 2: Standard-Tools einkaufen
Wenn deine vorhandenen Tools das Problem nicht lösen, schaue nach bewährten Speziallösungen.
Unser Beispiel: Wir haben das Tool Clay zur Lead-Recherche, Anreicherung und Sales-Kommunikation genutzt. Diese Prozesse kann man sich theoretisch selbst bauen, hat vom Aufwand/Return-Verhältnis für uns jedoch keinen Sinn ergeben.
Weitere Beispiele:
- DeepL Pro für Übersetzungen
- HeyGen für Lernvideo-Avatare
- ElevenLabs für die Erstellung von Sprach-Agenten

Ansatz 3: Interne KI-Plattform verwenden
Mit einer Enterprise KI-Plattform (ChatGPT Enterprise, Copilot (Studio), Langdock, Zive, ...) lassen sich bereits sehr viele Quick Wins umsetzen, ohne dass neue Tools gekauft werden müssen. Daher ist die breite Einführung solch einer Plattform ein Muss für alle Unternehmen, die GenAI in den produktiven Einsatz bringen wollen.
Unser Beispiel: Wir haben in jedem Team Assistenten und Agenten aufgesetzt, die wiederkehrende, zeitaufwändige Tätigkeiten unterstützen oder als Sparringspartner fungieren.
- Sales Agent zur Vor- und Nachbereitung von Terminen
- Content Agent zur Produktion von Social Media Assets
- Reporting Assistent zur Kommentierung von Investoren-Reports
- Chief of Staff Agent zur Unterstützung bei Kommunikation und Planung
- ...

Du musst natürlich deine Anforderungen gegen die Möglichkeiten der Features/Tools/KI-Plattform legen und abwägen. Natürlich kann auch eine KI-Funktion in einem Tool existieren, die jedoch so schlecht umgesetzt wurde, dass ein selbstgebauter Agent mehr Sinn ergibt.
Quick Wins sollten binnen 4 Wochen produktiv sein.
Alles was länger dauert, ist kein Quick Win mehr.
Value Cases angehen: strategisch evaluieren
Value Cases sind die großen GenAI-Hebel mit strategischem Impact, aber höherer Komplexität. In der Regel werden Value Cases zentral von einer KI-Taskforce bearbeitet und von einem Sponsor aus dem Fachbereich / Business Unit verantwortet.
Wichtig: Die Evaluierung und Umsetzung von Value Cases ist klassisches Projekt-/Produktmanagement - nichts Neues.
Die Herausforderung liegt darin, die KI-spezifischen Aspekte richtig zu bewerten.
5 Schritte, die nicht fehlen dürfen:
- Reality-Check durchführen
- Business-Wert quantifizieren (!!!)
- Daten- & Integrationscheck
- Make-or-Buy-Entscheidung
- MVP definieren und Business Case erstellen

8 häufige Stolpersteine vermeiden
1. Perfektionismus-Falle bei Quick Wins
- Problem: Teams wollen Quick Wins "richtig" machen und überkomplizieren sie. Aus einem 2-Wochen-Quick-Win wird ein 3-Monats-Projekt mit perfekter Datenanbindung, umfangreichem Testing und Change Management.
- Lösung: Setze klare Zeitlimits und denke in Ausbaustufen (siehe Teil 2). Wenn ein Quick Win länger als 4 Wochen dauert, ist es keiner mehr. Nutze die 80/20-Regel: 80% des Nutzens mit 20% des Aufwands.
2. Datenqualität unterschätzen
- Problem: "Wir haben die Daten in Excel" bedeutet nicht "Die Daten sind KI-tauglich". Schlechte Datenqualität, fehlende Standardisierung oder unvollständige Datensätze killen auch den besten Use Case.
- Lösung: Mache den Daten-Check zum ersten Schritt. Schaue dir echte Datensätze an, nicht nur Beschreibungen. Prüfe Vollständigkeit, Konsistenz und Aktualität.
3. Change Management vernachlässigen
- Problem: Die beste KI-Lösung scheitert, wenn die Nutzer sie nicht akzeptieren, nicht verstehen warum sie helfen soll, oder nicht wissen, wie sie sie in ihren Arbeitsalltag integrieren.
- Lösung: Involviere die Endnutzer von Anfang an. Erkläre den konkreten Nutzen für ihre tägliche Arbeit. Schaffe Verständnis für den Mehrwert, nicht nur für die Technologie. Plane Schulungen und Support ein.
4. Parallel-Umsetzung ohne Koordination
- Problem: Marketing baut einen Content-Generator, Vertrieb entwickelt einen E-Mail-Assistenten und HR einen Bewerbungs-Chatbot - alle parallel, alle ähnlich, alle mit unterschiedlichen Tools und Standards.
- Lösung: Schaffe einen zentralen Überblick über alle laufenden KI-Initiativen. Wöchentliche Sync-Termine zwischen den Teams. Definiere gemeinsame Tool-Standards und teile Learnings.
5. Value Cases zu früh starten
- Problem: Ohne Quick Win-Erfahrung direkt in komplexe Value Cases einzusteigen führt zu überzogenen Erwartungen, unterschätzten Risiken und oft zu Enttäuschungen, die das ganze KI-Programm gefährden.
- Lösung: Sammle erst praktische Erfahrung mit 3-5 Quick Wins, bevor du Value Cases angehst. Baue Vertrauen und Kompetenz schrittweise auf.
6. Tool-Hopping statt Fokus
- Problem: Jede Woche ein neues KI-Tool ausprobieren, statt die vorhandenen richtig zu nutzen. Das führt zu oberflächlicher Nutzung und verhindert echte Expertise.
- Lösung: Fokussiere dich auf so wenige Tools wie möglich und nutze deren Potenzial voll aus, bevor du neue hinzufügst. Auf LLM-basierten Chatbot und Automationsplattformen können bereits sehr viele unterschiedliche Use Cases umgesetzt werden.
7. ROI-Messung vergessen
- Problem: Use Cases werden umgesetzt, aber der tatsächliche Nutzen wird nie gemessen. Dadurch fehlt die Basis für weitere Investitionen und die Argumentation für größere KI-Projekte.
- Lösung: Definiere messbare Erfolgsmetriken vor der Umsetzung (Zeitersparnis, Qualitätsverbesserung, Kosteneinsparung) und tracke sie kontinuierlich. Dokumentiere Erfolge für die nächsten Business Cases.
8. Niemand ist verantwortlich
- Problem: Bei der Entwicklung von Ideen und der Priorisierung sind noch alle dabei. Wenn es dann um die Verantwortung für die Umsetzung und die Ergebnisse geht, wird delegiert und das Tagesgeschäft vorgeschoben.
- Lösung: Jeder (!!!) Use Cases benötigt einen Owner aus dem Fachbereich. Sonst geht die Umsetzung nicht los. Die IT oder das KI-Team zählen nicht als Owner :)
Der komplette Weg: Von Use Case Ideen zur Umsetung
Diese dreiteilige Serie hat dich durch den kompletten GenAI Use Case-Prozess geführt:
Business-Probleme → Aufgaben → GenAI-Mapping
Starte bei Business-Herausforderungen, nicht bei der Technologie. Das 5-Schritte-Framework hilft dir, systematisch von Engpässen zu konkreten Use Cases zu kommen.
Ausbaustufen → Matrix-Bewertung → Kategorisierung
Bewerte nach Wertbeitrag vs. technischer Machbarkeit. Denke in Ausbaustufen. Das Ergebnis: Quick Wins für schnelle Erfolge, Value Cases für strategischen Impact.
Teil 3: In die Umsetzung kommen
Quick Wins dezentral → Value Cases als Projekte
Quick Wins dezentral mit vorhandenen Tools umsetzen. Value Cases strukturiert mit Reality-Check, Business Case und MVP-Planung angehen.
Jetzt bist du dran: Nimm dir diesen Prozess und wende ihn in deinem Unternehmen an. Starte mit der Use Case-Identifikation aus Teil 1, bewerte sie nach dem Framework aus Teil 2 und setze die ersten Quick Wins um.
Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen: Welche Quick Wins konntest du schnell umsetzen? Wo bist du auf Stolpersteine gestoßen?
Schreib mir einfach - ich lese jede E-Mail :)
Bis nächsten Sonntag
Felix
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